Hausgeburt in der Regentonne
GEBURTSBERICHT: DORIAN, 17.11.2017, 9:00 Uhr
DIE VORBEREITUNGEN
Mein Bild von Geburt war bis zur Schwangerschaft ein eher negativ geprägtes: Geburt verband ich mit einem angstbehafteten, schmerzvollen Erlebnis in der Klinik, wo man als Frau halt einfach mal durch muss, wenn man ein Kind haben möchte.
Über Zufälle erfuhr ich von Elisa und besuchte ihre Kurse ab dem 4. Monat. Schnell war klar, dass ich sie auch gerne als Doula dabei haben möchte. Fortan fütterte ich mich mit positiven Geburtsberichten: in Büchern (“Flowbirthing”, “Die selbstbestimmte Geburt”, “Wassergeburt”), las positive Geburtsberichte und sah mir schöne Geburtsvideos im Internet an. Negative Berichte, die manchmal schneller zu einem kommen, als einem lieb ist, mied ich ganz bewusst. Im Kurs lernten wir verschiedene Entspannung- und Visualisierungstechniken kennen, von denen ich mir das passendste für mich heraus suchte. Ich visualisierte mir immer wieder meine eigene Geburtsreise, ganz entspannt zu Hause, und übte das Töne. Jedes Mal, wenn ich das tat, hörte ich eine bestimmte Musik (Regentropfengeräusche) und zündete mir einen bestimmten Duft an (Entbindungsduft). Beides wollte ich dann auch zur Geburt so handhaben, um schnell in die gewohnte Entspannung zu finden. Zusätzlich hing ich mir schon in den letzten Wochen der Schwangerschaft Wimpel mit den Affirmationen auf, die mir am hilfreichsten erschienen, so dass diese auch immer präsent waren. Ansonsten achtete ich darauf, dass es mir gut ging: gutes, gesundes und zuckerfreies Essen, ausreichend Bewegung an der frischen Luft, intensiver Kontakt zu meinem Mann, viele positive Gedanken und häufige Kontaktaufnahmen zu meinem Baby im Bauch. Langsam aber stetig wandelte sich meine anfängliche Angst zur richtigen Vorfreude auf die Geburt. Eine mehr als passende Hausgeburtshebamme war zum Glück schnell gefunden und mein Geburtsteam – mein Mann, meine Hebamme, meine Doula Elisa, mein Baby und ich – war komplett. Ich fühlte mich bei allen bestens aufgehoben und hatte vollstes Vertrauen. Mein Mann war durch die Treffen mit Elisa (Triadenvorbereitung und Doula-Treffen) sowie durch die vielen Gespräche mit mir auch bestens vorbereitet und freute sich sehr auf die Geburt. Er wusste dadurch genau, was ich möchte und was nicht bzw. wie meine Vorstellungen aussahen. Das entspannte mich wiederum sehr.
Im Laufe der Zeit entschied ich mich für eine Geburt in einer 510l-Regentonne. Mir gefiel in der Vorstellung die aufrechte Position und die intime Atmosphäre für mich und das Baby. Wir richteten das Schlafzimmer, den Geburtsort, liebevoll ein: die Tonne wurde mit Acryl bemalt, was mein Künstlerherz freute, die Affirmationen wurden als Wimpel daneben aufgehangen, ich bemalte eine Geburtskerze und bekam in einem, ebenfalls von Elisa organisiertem Geburtsvorbereitungstreffen von anderen Frauen eine Geburtskette mit besten Wünschen überreicht. Der Raum selbst sollte zur Geburt so gut wie möglich abgedunkelt (mit Decken vor den Fenstern) und nur mit der Geburtskerze und der Salzlampe beleuchtet werden. Ansonsten wollte ich möglichst Ruhe, nur die Regentropfen aus dem Lautsprecher.
DIE GEBURT
In der Nacht vom 16. (mein Errechneter Termin) auf den 17.11.2017 konnte ich nicht so recht schlafen. Ich schlief zwar gut ein, wachte aber mit einer Unruhe wieder auf. Der Bauch wurde immer mal wieder fest, aber das war ich schon gewöhnt und es war nie unangenehm. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas anders ist, ohne es beschreiben zu können. Ich hatte das Gefühl, dass vielleicht mir, meinem Baby oder uns beiden das letzte Quäntchen Zuversicht fehlte und entschied mich dafür, die halbstündige Meditation “Komm jetzt raus, liebes Baby!” von Nina Winner zu hören. Danach dachte ich ein paar Minuten intensiv “Ich bin jetzt sicher und geborgen” und stellte mir mein “Krafttier” vor, wie es sich in einen sicheren Platz zurückzog. Kurz darauf platzte um 5:30 Uhr meine Fruchtblase. Was für ein schönes und aufregendes Gefühl! Jetzt erst einmal Ruhe bewahren und sich freuen. Soll ich mich noch mal schlafen legen oder sollen wir schon alles vorbereiten? Ich probierte es mit Schlafenlegen, entschied mich aber 5 Minuten später um und bat meinen Mann, alles schon mal an Ort und Stelle zu bauen, damit ich mich sicherer fühle. Vorsichtshalber sage ich meine Termine für den Tag ab (Reiten und Hundesitting). Es kommen regelmäßig Wehen. Irgendwie haben die mehr Kraft als sonst, schmerzhaft sind sie aber nicht. Deshalb denke ich, ich habe ich noch sehr viel Zeit. Ich gebe Elisa per Textnachricht Bescheid, dass die Fruchtblase geplatzt ist und es vielleicht irgendwann heute so weit sein wird. Ich will den Tag trotzdem entspannt starten, gehe erst mal duschen und will unbedingt noch meinen warmen Frühstücksbrei essen. Mein Mann ist am Rotieren: Brei kochen, alles umräumen, die Tonne soll er jetzt auch mal lieber befüllen. Die Wehen werden kräftiger, ich rufe “ich fange dann mal an mit Tönen” und bin so im Vierfüßlerstand beschäftigt. Der Brei steht vor meiner Nase, aber ich habe keine Zeit, ihn anzurühren, es geht scheinbar echt schnell voran. Das Wasser läuft in die Tonne und mein Drang, schon mal einzusteigen, wird immer größer. Schwupps – bin ich drin und nicht mehr sichtbar, weil das Wasser zunächst nur ganz unten ist. Mein Mann muss mich erst mal in der Wohnung suchen. Das fand ich eigentlich ganz angenehm, es war mein kleiner, geschützter Geburtsraum für mich und mein Baby. Er solle jetzt mal Hebamme und Elisa anrufen, eigentlich habe ich ständig Wehen und verschwinde schnell in Trance. Wehe vertönen, entspannen, tiiiiief entspannen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell hintereinander geht und ich so wenig Zeit zum Ausruhen habe. Deswegen keine Sekunde der Entspannung vergeuden, dachte ich mir. Das klappte auch sehr gut, ich fand mit Hilfe meiner Affirmationen und den geübten Entspannungstechniken sehr schnell zurück in die Entspannung. Während einer Wehe dachte ich auch an Entspannung: ich dachte daran, tief einzuatmen, tief und lange auszutönen, die Füße fest am Boden zu haben, die Hände nicht an den Tonnenrand zu klammern, sondern auch diese so entspannt wie möglich zu lassen und den Rest des Körpers bewegen zu lassen, wie er es eben wollte. Elisa klingelte und war schon längst oben in der Wohnung, als ich aus der Tonne rief “es hat geklingelt”. Ich war schon tief in mir versunken und alles um mich herum wurde unklar. Es beruhigte mich dennoch ungemein, dass sie jetzt da war.Von ihr habe ich so viel gelernt und die erlebte eine Geburt nicht zum ersten Mal, so wie ich. Von nun an waren mein Mann und Elisa an meiner Seite, reichten mir Wasser, ich wurde geküsst und gestreichelt, bekam einen nassen Lappen auf der Stirn und ab und zu positive Worte. Die Hebamme kam bald dazu, was ich nur dunkel zur Kenntnis nahm, mich aber ebenso weiter beruhigte. Die Geburtsarbeit vereinnahmte mich voll und ganz, aber ich konnte immer wieder tief entspannen und jede Welle tief vertönen. Mein Mann berichtete mir später, er hatte jederzeit den Eindruck, es läuft alles ganz ruhig und entspannt ab, keine Spur von Angst oder Schmerz oder dergleichen. Schmerzen hatte ich tatsächlich nicht. Ich war lediglich von der großen Kraft und der Wucht überrascht und dass es alles so schnell ging. Die Hebamme hörte zwei Mal die Herztöne in der Tonne für wenige Sekunden ab – alles bestens. Ich fühlte mich beschützt, sicher und umsorgt und hatte volles Vertrauen in mich, mein Baby und in meine Helfer. Es wurde nicht weiter gesprochen bis auf wenige lobende Worte oder kurze Rückmeldungen von der Hebamme (als das Baby einmal tiefer herunter rutschte und wie ich das Köpfchen selbst empfangen kann). Nach 3 kräftigen Wehen (und gedanklichen Weite-Affirmationen) kam mir mein Baby entgegen geschwommen – was für ein überwältigender Anblick! Ich hob ihn zu mir herauf und wir waren sofort stolze Eltern. Mein Mann schaut auf die Uhr: es ist genau 9:00 Uhr. Seit dem Blasensprung sind 3,5 Stunden vergangen.
Ich bin unglaublich dankbar und glücklich über dieses tolle Geburtserlebnis. Ich habe mich getragen gefühlt von meinen Geburtsbegleitern – auch im wahrsten Sinne der Worte, denn mein Mann griff mit in den letzten Wehen unter die Arme, und hielt mich, damit ich nicht untergehe. Ich hatte keinerlei Schmerzen, war wie gesagt nur von dieser Wucht und Kraft überrascht, die eine Geburt mit sich bringt. Aber ich konnte gut damit umgehen und habe in den kurzen Wehenpausen vor allem mit meinen Affirmationen und der Schlafatmung gearbeitet, so dass ich die ganze Zeit in einem tranceartigen Zustand war. 2-3x kamen mir Gedanken wie “oh, es ist doch wuchtiger als gedacht, ob ich das schaffe?”. Gleich darauf dachte ich “nein, sowas kannst du doch nicht schon jetzt am Anfang denken, es dauert bestimmt noch eine Weile, das denkt man doch höchstens erst am Ende in der Übergangsphase”. Wenn man viel mehr noch erwartet, wirkt das aktuelle gar nicht mehr so groß und wichtig. Ich bin auch sehr stolz darauf, mein Baby selbst in Empfang genommen zu haben. Kein Einschreiten der Geburtshelfer, kein Dammschutz von außen (nur von mir) – so habe ich mir es immer erträumt.